Das Flecü - ein alternatives Geldsystem



Einleitung

Artikel Zwischenstand Flecü 1995

 


 

Das Flecü - ein alternatives Geldsystem

Zwischen 1992 und 1995 hat der Verein GleXibles ein alternatives Geldsystem betrieben, das Flecü (hergeleitet aus FLexibles-ECÜ, dem damaligen Namen des Euros). Der Nachstehende Artikel wurde Anfangs 1994 geschrieben und stellte eine Zwischenauswertung dar. Ende 1995 wurde das Flecü-Experiment wieder eingestellt. Trotz immer wieder stattfindenden sporadischen Tauschaktionen, konnte kein vollständiger Kreislauf des Tauschmittels erreicht werden. Es fehlten insbesondere auch genügend ProduzentInnen und grundlegende Produkte, wie Nahrungsmittel, aber auch die reine Zahl der Teilnehmenden war zu gering (Es kamen etwa 50-80 Personen mit Flecü in Kontakt, d.h. besassen welche oder nahmen an Tauschaktionen teil.).

Untenstehender Artikel veranschaulicht einige Überlegungen die zu Flecü geführt haben. Sein grundsätzlicher Inhalt ist immer noch gültig, die entsprechenden Zeitbezüge sind allerdings unter dem Verständnis, dass das Experiment abgebrochen worden ist zu betrachten.


 

Einige Überlegungen und Hinweise zu alternativem Geld 
ausgehend von bisher mit dem Flecü gemachten Erfahrungen

Artikel von Jens Martignoni, Verein FleXibles 22.1.1994, leicht ergänzt 20.3.2001

Verschiedene Mitglieder des Vereins Flexibles in Zürich, die sich mit dem Aufbau einer neuen zukunftsweisenden Wirtschaftsweise befassten, entwickelten 1992 das alternative Tauschmittel "Flecü". Es hat sich in der Zwischenzeit im kleinsten Rahmen bewährt und wertvolle Erfahrungen konnten damit gesammelt werden, es hat sich aber bis jetzt aus verschiedenen Gründen noch nicht weiter verbreitet. Das Flecü beruht auf den folgenden Überlegungen und wird hier als eine mögliche Form eines lokalen alternativen Geldsystems vorgestellt. Die Gründe für seine Entwicklung liegen in der, nach Meinung des Vereins, stark verbesserungsbedürftigen Situation der bestehenden Geldsysteme.

Problematische Eigenschaften der heutigen Geldsysteme und des heutigen Geldes

  1. Beliebige Kumulierbarkeit: Wird ausgenützt zur Anhäufung von grossen Vermögen, die sich in konzentrierter Macht ausdrücken.

  2. Zins und Zinseszins: Führt zu einer automatische Umverteilung von denen, die arbeiten und etwas leisten, zu denen, die Vermögen besitzen. Stützt bestehende Besitzeshierarchien.

  3. Anonymität: Führt zu Undurchschaubarkeit. Keiner weiss woher und wohin das Geld wirklich fliesst. Die Folgen: Fluchtgelder, Geld aus dem Drogenhandel und aus kriminellen Aktionen. So gehandhabt fördert Geld eine negative Anonymisierung in der Gesellschaft.

  4. Einsatz als universelles Wertsystem: Alles wird heute in Geldwerten ausgedrückt. Was nichts kostet ist nichts wert. Ethik muss dem Geld weichen oder durch Geld ersetzt werden. Natur wird in dieser Logik aus Umweltschutzgründen quantifiziert und in Geldwerten ausgedrückt.

  5. Einsatz als universelles Kommunikationssystem: Mittels Geld und Preisen kann weltweit erfolgreich kommuniziert werden. Es ist kein Problem z.B. in Japan in einem Supermarkt einzukaufen. Die Zahlen auf den Preisschildern genügen: Preise zusammenzählen Geld hinstrecken, Ware mitnehmen, alles ohne Japanischkenntnisse. Allerdings führt heute die exzessive Beschränkung auf diesen Tauschakt führt zu Ersatz der menschlichen Kommunikation, zu Vereinsamung und emotionaler Kälte.

  6. Beschleunigung und Abstraktion: Durch weltweite Computervernetzung, Telefone, Fax und ähnliche Mittel konnte die Geschwindigkeit, mit der Geld verschoben werden kann, um ein Vielfaches gesteigert werden. Gleichzeitig liegt das Geld jetzt in einer rein abstrakten Form vor, dem Buchgeld oder noch weiter verfremdet dem "e-Geld", was heute einfach eine in einem Computer gespeicherte Bitsequenz ist. Riesige Bankapparate schieben diese Elektronenpulse von Kontinent zu Kontinent. Immer noch profitablere Möglichkeiten wie Fonds, Bonds, Futures, Optionen und Zero Bonds etc. werden angeboten, damit das angehäufte Geld noch schneller noch mehr Profit macht! Gesamtzusammenhänge wie Umweltschutz, kommen da allenfalls noch am Rande vor.

Wünschbare Eigenschaften neuer Geldsysteme

Aus den Erfahrungen und Erkenntnissen einer selbständigen, freien Arbeits- und Lebensweise, wie sie die Mitglieder des Vereins Flexibles anstreben, ergeben sich folgende Punkte, die bei einem alternativen Geld besser sein müssen, als beim bestehenden:

  1. Personengebunden/ schwierig kumulierbar: Die Person, die Geld besitzt, soll vollumfänglich verantwortlich sein für ihre Handlungen. Machtanhäufung soll nicht im Geldsystem eingebaut sein.

  2. Durchschaubar/ nicht anonym: Alle Transaktionen sollen durchschaubar sein. Aber nicht, indem eine grosse Zentrale Daten sammelt, sondern bei jedem Geldtransfer sollen beide Partner sich darüber ein Bild machen können, was, von wem, wie hier abläuft.

  3. Keine Zinsen/ kein Zins auf Kapital: Zinsen auf Kapital sind ein Ergebnis, weil Leute Geld horten und es nur gegen "Gewinn" wieder hergeben. Dieser Gewinn muss ersetzt werden: Nicht Geld als Belohnung für Geld, sondern die Beteiligung an den Dingen, die persönlich wichtig sind ist die Lösung. Echte "Sachzinsen" hingegen sind sehr wohl möglich, z.B. wer einem Bauern seinen zur Zeit nicht selber bebauten Boden verpachtet, erhält von den darauf wachsenden Kartoffeln oder von der Milch, wobei, wenn nichts wächst, erhält er auch nichts.

  4. Gleichberechtigtes Wertesystem: Geldfragen sollen immer zusammen mit anderen wichtigen Themen behandelt werden. Die Einstellung "ehrlich, richtig und mit Freude" zu leben ist zum Beispiel ebenfalls ein Wert. Im jedem Fall muss sich Geld den wesentlicheren Werten Leben, Lieben, Lernen unterordnen!

  5. Kommunikationshilfe, nicht Ersatz: Preise sollen wieder diskutierbar werden. Gefühlsmässige Werte müssen Geld ergänzen. Z.B. verkaufe ich meine Arbeit an Dich nur dann, wenn das Gefühl stimmt und lasse mich nicht überstimmen, indem Du z.B. den Preis verdoppelst. Im Gegenteil, je besser wir uns verstehen, desto mehr darf etwas kosten, wenn wir uns nicht verstehen, gibt es für alles Geld in der Welt keinen Austausch.

  6. Angepasste Geschwindigkeit: Die Geschwindigkeit des Geldkreislaufs soll an die Verhältnisse einer lebenswerten Erde angepasst sein. Kleinräumige Geldsysteme, mittelgrosse und weltweite sollen eng vernetzt sein. Es gäbe keine Landeswährung mehr, sondern die Währungen deckten sich mit verschiedenen Lebensgemeinschaften. Alle Systeme sind miteinander verbunden, aber je weiter weg sie örtlich oder ideell voneinander sind, desto schwieriger soll der Tausch sein. Ein Apfel vom Bauernhof der eigenen Gemeinschaft würde so automatisch viel weniger kosten, als eine Banane aus einer ganz anderen Kultur.

Um diese neuen Eigenschaften zu fördern, zu erforschen und zu hinterfragen, hat der Verein Flexibles das alternative Geldsystem Flecü konzipiert und einen Versuch damit gestartet. Unmittelbares Ziel des Flecü ist, die Mitglieder des Vereins beim Aufbau einer neuen sozial- und umweltverträglichen Arbeitsweise zu unterstützen.

Beschreibung des Flecü-Systems 1994 (in vollem Betrieb)

Anzahl beteiligter Personen:

ca. 30-40

Geldbewusstsein der beteiligten Personen:

überdurchschnittlich, da die Hürde, sich auf Flecü einzulassen hoch gehalten sind.

Quantität der wirtschaftlichen Beziehungen:

klein, sporadischer Austausch, weniger als 2% des Umsatzes der Beteiligten

Qualität der wirtschaftlichen Beziehungen:

Gut bis sehr gut, freundschaftlich, offen gegenüber alternativen Werten.

Flecü-Schöpfung:

Durch den Flecü-Tisch (Verein) oder durch wirtschaftliche Initiative einzelner Mitglieder (Kredite)

Flecü-Auflösung:

Durch den Flecü-Tisch (Rückgezahlte Kredite)

Flecü-Menge im Umlauf total

9444 Fü

davon Flecü-Scheine

6654 Fü

Flecükurs gegen Schweizerfranken

In bestimmten Einzelfällen ist ein Wechselkurs möglich 1Fü ≈ 1.5 sFr

Flecükurs gegenüber Talent

Nur ein Fall bek. 1 Fü ≈ 1.1 Tt

Das Flecü ist dezentral organisiert. Flecü Werte existieren einerseits als Wechselscheine von 1, 3, 10, 30 und 100 Flecü, andererseits als persönliche Konti. Scheine werden bei jedem Tausch gekennzeichnet und unterschrieben. Dies erlaubt eine gewisse Transparenz über den Weg der Scheine resp. der Flecü Werte.

Das dezentrale Konto wurde erfunden

Im Dezember 93 wurde das "persönliche Flecü Konto®" eingeführt, das den Tausch wesentlich vereinfacht. Es beruht auf der dezentralen Kontoführung, das heisst, jeder Kontoinhaber und jede Kontoinhaberin führt das eigene Konto selbst. Diese Form belässt die Verantwortlichkeit da wo sie hingehört, ist natürlich nur für "mündige" Personen, spart dem Verein grosse administrative Kosten und erschwert die Hierarchisierung.

Beim Flecü gibt es keine Bank, sondern den Flecü-Tisch, einen Kreis von Leuten, die z.B. Flecü-Schöpfung und Flecü-Auflösung im gesamten System wahrnehmen. Auch technische Einzelheiten und der Druck von Scheinen und Konti werden an diesem Tisch verhandelt.

Wertbildung

Eine wichtige Erfahrung aus den ersten 15 Monaten Flecü-Verwendung ist die Problematik der Wertbildung:

"Wieviel Flecü kostet das?" ist eine schwierige Frage, da nur wenige Referenzpunkte vorhanden sind. Beim Schweizerfranken geschieht die Wertbildung irgendwo im Hintergrund. Jede Benutzerin des Frankens kann aber genau sagen was alltägliche Dinge kosten. Ein Kilogramm Kartoffeln kostet z.B. 30 Franken ... - Halt - schon widerspricht unsere innere Stimme und der Bewertungsmechanismus setzt ein: "Das kann doch nicht sein, die sind niemals so teuer, schon eher kosten sie 3 Franken!"

Dieser Vorgang ist nun entscheidend beim Start eines neuen Wertsystems "Flecü". Wenn einfach konventionelle Werte übernommen werden (z.B. ein Direktor einer Firma verdient immer noch 30 mal so viel wie ein Lehrling), dann ist die Alternativwährung auf dem besten Weg einfach eine Ersatzwährung zu werden.

Hilfreich, diese Mechanismen bewusst zu machen sind Fragen: z.B. wofür die Flecü gebraucht werden, oder woher sie stammen. Die Bewertung im gegenseitigen Einvernehmen oder im Clinch ist dabei der wichtigste Vorgang. Das Flecü öffnet in seiner Anfangsphase ein weites Übungsfeld zum Thema Macht und Wert. Bewusster Umgang und ein Gefühl für das Ganze erlauben eine Wertverschiebung, Bequemlichkeit und Gewohnheit lassen alles beim alten.

Zusammenfassend

Verglichen mit dem Talent-Experiment www.talent.ch ist das Flecü ein kleines und sich langsam entwickelndes Pflänzchen. Da das Hauptaugenmerk auf dem Aufbau stabiler, lokaler, alternativer und persönlicher Wirtschaftsbeziehungen liegt, beim Talent aber eher durch eine möglichst grosse Verbreitung eine Veränderung erwirkt werden soll, lassen sich die beiden Systeme im heutigen Zeitpunkt noch nicht unter einen Hut bringen. Auf beiden Wegen können aber wertvolle Erkenntnisse über das absurde herrschende System gefunden und kreative Ideen erfunden werden, die uns einen Schritt weiterbringen.

 

Weitere Links zu alternativen Geldsystemen siehe Linkseite