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Neuerscheinung: Die Banken und ihre Schweiz – Perspektiven einer Krise

Lange Jahre schon plädiert der Verein FleXibles dafür, neue Modelle und Systeme für unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Schweiz zu entwickeln. Bisher war diesen Überlegungen vielfach ein unbeachtetes Nischendasein beschieden. Und nun, nach zwei Jahren Finanzkrise und vielen fortlaufenden Ernüchterungen, endlich ein Autor – Peter Hablützel – der aus aus einer ganz bürgerlichen, “wirtschaftlichen” Perspektive mit nüchternen geschichtlichen Fakten und langjähriger eigener Erfahrung in Bundesbehörden und Finanzwirtschaft  diese Systemfragen stellt. Er schreibt z.B. Notwendig sind echte Änderungen an den Strukturen und in der Kultur des Wirtschafts- und Finanzsystems. An vielen Stellen des Buches getraut sich der Autor sogar ziemlich scharfe Worte zu verwenden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Menschenbild :

Aber man fragt sich dann besorgt, warum unsere obersten Wirtschaftsbosse, die uns in die Zukunft führen wollen, in der Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit offenbar im zweituntersten Stockwerk auf der Maslowschen Bedürfnispyramide steckengeblieben sind und der Illusion erliegen, mit Geld liessen sich höhere Werte kaufen. (Seite 188)

Auch bei der herrschenden Wirtschaftstheorie weist Peter Hablützel auf schwerwiegende Fehlvorstellungen hin und obwohl er den Markt als solchen nicht in Frage stellt, arbeitet er klar heraus, dass die sogenannte unsichtbare Hand – in Tat und Wahrheit unser Geldsystem – gerade kein Gleichgewicht und keine Gerechtigkeit in den Wirtschaftsprozess bringt.

Wesentliches erfährt man auch über den Filz der Schweiz und die Entstehung des Bankensystems mit ihren beiden Überbanken UBS und CS. Was man eigentlich jeden Tag in den Zeitungen lesen muss, dass in der Schweiz geradezu ideale Bedingungen für Shareholder- und Casino-Kapitalismus herangeführt wurden und warum die Reichen hier Schlange stehen, findet so nahtlos eine Erklärung.

In sieben Thesen schlägt Hablützel am Schluss des Buches vor, wo der Hebel anzusetzen ist. Diese Thesen sind unwidersprochen nützlich und wichtig. Der wichtigste Punkt überhaupt wird leider nicht als eigene These formuliert, kommt aber zum Glück im Schlussabschnitt doch noch zur Sprache:

Ohne eine Analyse der zentralen Rolle des Geldes dürften sowohl ein adäquates Verständnis von Gesellschaften, als auch verständnisvolles Handeln in und für Gesellschaften kaum möglich sein. (Seite 269)

Ja, man kann nur zustimmen oder sogar noch etwas verstärken: Ohne die Schaffung eines neuen, gerechteren Geldsystems werden wir keinen Schritt weiterkommen!

Ganz unvermerkt befindet sich am Ende des Buches noch ein längerer Artikel von Paschen von Flotow: Was würde Georg Simmel zur heutigen Krise sagen? Dabei beleuchtet der Autor das vor mehr als 100 Jahren erschienene Werk des Philosophen Georg Simmel Philosophie des Geldes, das in letzter Zeit wieder vermehrt gelesen und konsultiert wird. Dieser Beitrag ist durchaus bereichernd und regt an, sich weiter mit den Hintergründen der menschlichen Vorstellungen und ihrer Wechselwirkung zu befassen, die ja wesentlich die Grundlagen des Geldes bilden.

Fazit: Wer die Finanzkrise besonders in der Schweiz besser verstehen möchte, kommt nicht um dieses Buch herum. Gut und leicht zu lesen, mit Tiefgang und fundierten Analysen.

Peter Hablützel: Die Banken und Ihre Schweiz – Perspektiven einer Krise, Conzett/Oesch Verlag Zürich, CHF 28.-  Link zum Verlag