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Ist Nachdenken erst hinterher möglich?

Kommentar zur laufenden Zeitgeschichte

In den letzten Jahre wurden uns immer wieder sehr eigentümlich anmutende Bilder eines, wie es scheint kostümierten Gaddafis präsentiert, der sonderbare politische Possen trieb und RepräsentantInnen der Schweiz demütigte und betrog. Wir wunderten uns sehr, wie wenig sein Verhalten öffentlich kritisiert wurde. Dann fand ein Aufstand statt in seinem Land und umgehend darf man ihn öffentlich als Irren bezeichnen und über sein psychopathologischen Diagnosen spekulieren. Das geht also erst, wenn der Machthaber geschwächt ist?

Eine Woche nach den Katastrophen in Japan, wird die Atomlobby in Japan angeprangert. Aber warum eigentlich nicht vorher?

Müssen, tatsächlich erst Revolutionen nach 40 Jahren Diktatur ausbrechen, damit man sich öffentlich Gedanken zu Gaddafis Auftritten und seiner Politik machen darf?

Müssen wirklich erst  Riesen-Katastrophen in Japan geschehen, dass man sich hier noch einmal grundsätzliche Gedanken zur Atom-Energie macht und die unheilvolle Verflechtung von Kapital und Politik in Japan offengelegt wird.

Darf man denn jetzt schon Fragen stellen, z.B. wie genau das hierzulande anders sei, oder warten wir bis zu den nächsten Katastrophen?

Ein entsprechendes Zitat aus einem Bericht der NZZ spricht für sich selbst.

NZZ vom 18. März 2011: Die Macht der Atomindustrie, Petra Kolonko, Seoul

“Seit Tagen hängt das Schicksal der Umgebung von Fukushima, möglicherweise auch von ganz Japan, von der Fähigkeit oder Unfähigkeit eines Unternehmens ab. Tokyo Electric Power (Tepco), eine Firma, die wiederholt der Vertuschung von Zwischenfällen in Atomkraftwerken und der Desinformation überführt worden ist.

Japan Inc, das Unternehmen Japan, nannte man in den Boomzeiten der achtziger Jahre das System, das Japan erfolgreich machte. Die grossen Unternehmen und Politik arbeiteten Hand in Hand. Der Präsident des Industrieverbandes Keidanren wurde damals öfters als heimlicher Ministerpräsident Japans bezeichnet.

Wenn Ministerialbeamte ins Pensionsalter kommen und aus dem Staatsdienst ausscheiden haben sie unerklärten Anspruch auf einen lukrativen Posten in der Industrie. Ein Beamter etwa des Wirtschaftsministeriums, der für Energiefragen zuständig ist, wird versuchen in einem Energieunternehmen oder in einem Verband unterzukommen. Dazu muss dieser Beamte natürlich schon während seiner Zeit im Ministerium gute Beziehungen zu seinen potenziellen künftigen Arbeitgebern pflegen und er wird sich hüten, diese zu vergrätzen, indem er unangenehme Fragen stellt, Genehmigungen nicht erteilt oder andere Schwierigkeiten bereitet. Ist der ehemalige Beamte dann im Unternehmen, kann er seine alten Kontakte im Ministerium zugunsten des neuen Arbeitgebers verwenden.

Eine Unabhängigkeit der Verwaltung ist damit nicht mehr gewährleistet und eine Korruption im System verankert. Japan ist nicht schlecht gefahren mit diesem System, denn dieses hat das Land an die Spitze der Weltwirtschaft gebracht. Aber für neue Anforderungen in neuen Zeiten ist es nicht geeignet.

Tepco, der viertgrösste Energiekonzern der Welt, konnte über Jahrzehnte Sicherheitsberichte fälschen und Unfälle herunterspielen, ohne dass sich dies in der Veränderung der Unternehmenspolitik nieder geschlagen hätte … Skandale führten allenfalls zu Entlassung einzelner Manager.”

(Kürzung und Hervorhebung durch News-Autoren)

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